Ein dreifaches Jubiläum für das Handwerk

Die Kreishandwerkerschaft Dortmund Hagen Lünen als Dachorganisation der regionalen Innungen und übergeordnete Interessenvertretung von 6.500 Handwerksunternehmen kann am 23. August auf gleich drei beeindruckende Jubiläen zurückschauen. Vor 122 Jahren wurde der erste Zusammenschluss der Innungen des Handwerks in Hagen ins Leben gerufen, vor 111 Jahren folgten Dortmund und Lünen – und seit einem Jahr gibt es die vereinte Kreishandwerkerschaft Dortmund Hagen Lünen. Grund genug für einen Blick zurück und nach vorn.

Wir sprachen mit Vertretern des Vorstands und der Geschäftsführung der Kreishandwerkerschaft:

  • dem Kreishandwerksmeister Dipl.-Ing. Christian Sprenger,
  • dem stellvertretenden Kreishandwerksmeister und Stadthandwerksmeister von Hagen Bernd Marquardt,
  • dem Stadthandwerksmeister von Lünen Christoph Haumann,
  • dem Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Dortmund Hagen Lünen Ass. Sebastian Baranowski,
  • dem stellvertretenden Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Dortmund Hagen Lünen Ass. Joachim Susewind.


Was hat aus Ihrer Sicht das Handwerk in der Region Dortmund, Hagen und Lünen in der Vergangenheit verbunden und was verbindet es noch heute?

Marquardt: Im Grunde genommen gibt es schon geografisch eine enge Verbundenheit. Wir arbeiten Grenze an Grenze und auch darüber hinaus. Das bedeutet, dass wir ähnliche wirtschaftliche Situationen haben und gleiche Aufgaben – das war in der Vergangenheit so und wird auch morgen so sein.

Sprenger: Das Handwerk an sich ist schon verbindend. Man kennt sich kollegial, hat gemeinsame Herausforderungen, gemeinsame Traditionen und auch eine Vernetzung, die weit über die fachliche Ebene hinausgeht.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Errungenschaften der Kreishandwerkerschaft?

Sprenger: Das war im Rückblick sicher der gemeinsame Aufbau einer Überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung (ÜLU). Die Sicherung des beruflichen Nachwuchses wurde immer wieder flexibel an die Erfordernisse der Zeit angepasst. Und auch diese Flexibilität an sich ist schon eine Errungenschaft.

Marquardt: Man kann vor unseren Gründungsvätern nur den Hut vorziehen, die damals schon gesehen haben, wie wichtig die Zusammenarbeit der Innungen ist. Die Idee, dass man nur einmal denken muss und das Ergebnis dann für alle Innungen nutzen kann. Das ist eine große Errungenschaft.

Haumann: Für mich ist die größte Errungenschaft, dass die Kreishandwerkerschaft als zentraler Ansprechpartner für Politik und Verwaltung in Handwerksangelegenheiten auftritt. Nicht die einzelne Innung, das einzelne Gewerk oder der einzelne Betrieb muss die Dinge klären, sondern es gibt tatsächlich einen akzeptierten Ansprechpartner.

Baranowski: Ja, und man hatte und hat ein Ziel. Ein Beispiel ist die Entwicklung der Ausbildungsstätten des Handwerks in Dortmund-Körne. Man hat sie Stück für Stück erweitert, sich immer wieder neu ausgerichtet – immer mit dem gleichen Ziel einer guten Ausbildung. In Hagen haben die Innungen Ausbildungszentren betrieben für Maler, Friseure und die Bauberufe. Auch haben die Zahntechniker ein eigenes Schulungslabor unterhalten. Alles hat sich permanent weiterentwickelt und trotzdem wurden die Interessen gebündelt und gemeinsam vertreten.

Susewind: Und darüber hinaus hat es das Handwerk geschafft, gemeinsam für Absicherung zu sorgen – mit der Gründung der Innungskrankenkassen oder der Signal Iduna. Da wurden Kräfte gebündelt, genauso wie bei den Einkaufsgenossenschaften. Das alles hat seinen Ursprung in der bis heute überzeugenden Idee, die eigenen Interessen gemeinsam zu wahren.

Sprenger: Und dazu gehört unbedingt auch der Wille zum persönlichen Engagement – der Wert, sich mit seiner privaten Zeit im Ehrenamt einzubringen. In keinem anderen Wirtschaftsbereich ist das Ehrenamt so stark ausgeprägt wie im Handwerk. Allein in den Prüfungsausschüssen in Dortmund, Hagen und Lünen werden jedes Jahr mehr als 12.500 Stunden ehrenamtlich geleistet. Und das ist, glaube ich, die Keimzelle, die Urzelle, die die handwerkliche Organisation ausmacht, dass Menschen bereit sind, sich für andere Menschen einzubringen.

Haumann: Und das alles manifestiert sich in liebenswerten Traditionen. Zum Beispiel in Freisprechungsfeiern, um den Wert einer bestandenen Gesellenprüfung darzustellen. Das ist etwas, das bis heute überdauert und das auch tatsächlich immer noch einen sehr, sehr großen Anklang findet.

Und in der Gegenwart? Welchen Stellenwert hat das Handwerk in der Region im Jubiläumsjahr 2024?

Sprenger: Es gilt immer noch: Das Handwerk ist die Wirtschaftsmacht von nebenan. Leider wird sie häufig als solche nicht wahrgenommen, weil das Handwerk sich durch seine Strukturen weit verzweigt. Trotzdem sind wir ein starker Wirtschaftsfaktor und Ansprechpartner für Politik und Verwaltung, können politisch Einfluss nehmen.

Haumann: Machen wir uns das einfach praktisch klar: Ohne Handwerk gibt es keine Mobilitätswende, keine Klimawende. Wir sind die Experten, an die sich die Politik wendet. Und es gibt genug große Unternehmen, deren betriebliche Abläufe ohne das Handwerk nicht funktionieren würden.

Marquardt: Ja, und wir sind viele. Wir sind eine der größten Kreishandwerkerschaften Deutschlands, vertreten 6.500 Betriebe. Ich glaube, dass wir unser Gewicht – auch handwerkspolitisch – einbringen können.

Welchen Herausforderungen müssen sich das Handwerk und die Kreishandwerkerschaft denn heute stellen?

Marquardt: Wir brauchen Handwerker, die die Energiewende bearbeiten können. Eine unserer Aufgaben ist es deshalb heute, das Handwerk in der Öffentlichkeit attraktiv zu machen – auch als Alternative zum Studium.

Haumann: Wir müssen darstellen, was Handwerk grundsätzlich bedeutet. Dem Nachwuchs fehlt das Bild des Handwerks und da brauchen wir auch die Unterstützung von Lehrenden an den Schulen und vielleicht auch wieder Werkunterricht.

Sprenger: Wir stehen heute vor riesigen Herausforderungen, vor einem Technologiewandel, vor einem Fachkräftemangel, vor einer Krise am Bau, wir müssen sozialverträgliche Wohnungen schaffen, haben aber keine verlässlichen politischen Rahmenbedingungen. Und dieses ganze Konglomerat im Kontext mit einer überbordenden Bürokratie macht, glaube ich, die Arbeit im Handwerk in dieser Zeit sehr anspruchsvoll. Das ist für einen einzelnen Unternehmer gar nicht mehr darstellbar. Da braucht man tatsächlich den Verbund der Innungen, letztendlich auch den der Kreishandwerkerschaft.

Baranowski: Wir müssen im Verbund auch mit anderen Handwerksorganisationen die Attraktivität des Handwerks gerade für junge Menschen stärken. Wenn 100 Handwerker altersbedingt aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden und nur 70 junge Menschen nachkommen, dann haben wir langfristig ein Problem. Handwerk muss wieder spürbar und wahrnehmbar werden. Das wird die große Generationenaufgabe in den nächsten Jahren sein.

Ein Jahr Fusion zur Kreishandwerkerschaft Dortmund Hagen Lünen. Haben Sie Ihre Ziele erreicht? Was muss noch getan werden?

Sprenger: Die Fusion der Kreishandwerkerschaften war ein Meilenstein und gibt uns eine hervorragende Zukunftsperspektive. Wichtig ist dabei, dass wir unsere eigenen Wurzeln nicht vergessen, dass wir die Traditionen aus Hagen, aus Lünen und Dortmund fortführen können, weil das ein Identifikationspunkt der Betriebe ist. Darüber hinaus glaube ich, dass sich in Zukunft der Prozess des Zusammenwachsens der Kreishandwerkerschaften auch auf die Innungen übertragen wird.

Marquardt: Die Fusion hat relativ lange gedauert. Wir haben viele konstruktive Gespräche in den Innungen und auch mit den Beschäftigten in der Verwaltung geführt. Die Umsetzung dieses Feedbacks ist noch in vollem Gange. Gleichzeitig müssen wir nun den Fokus auf die Betriebe und deren Bedürfnisse lenken.

Haumann: Die Fusion war ein zwingend notwendiger Schritt, der zu einer zeitgemäßen Größe der Kreishandwerkerschaft geführt hat. Aus Lüner Sicht sind wir nun Bestandteil einer schlagkräftigen und wichtigen Kreishandwerkerschaft. Und das wären wir nicht, hätte es die Fusion nicht gegeben.

Baranowski: Die Fusion mag faktisch durch den Fusionsvertrag abgeschlossen sein, aber sie ist kein Projekt von zwölf Monaten. Wichtig ist, dass die Veränderungen für die Innungen bisher weitgehend geräuschlos abgelaufen sind, dass sich nichts im Wesentlichen in den Arbeitsabläufen negativ geändert hat. Ich glaube, wir sind auf einem Weg, den man weitergehen kann.

Susewind: Ja, wir sind größer geworden, aber wir sind trotzdem immer noch persönliche Ansprechpartner und kennen die Menschen, die wir anrufen. Das ist auch ein wichtiger Unterschied zu anderen Handwerksorganisationen. Für mich ist es ganz wichtig, dass wir diese vertrauensvolle Zusammenarbeit erhalten.

Haumann: Aus Lüner Sicht haben wir jetzt sogar eine deutlich klarere Struktur in der Verwaltung und auch gefühlt eine höhere Identifikation derjenigen, die in der Kreishandwerkerschaft arbeiten. Das ist für mich ein sehr positiver Effekt.

Sprenger: In der Zukunft steht nun für die Kreishandwerkerschaft die Transformation zu einem Dienstleister an und dieses Spielfeld ist extrem groß. Wir müssen Möglichkeiten schaffen, mit denen ganz konkret Betrieben geholfen werden kann. Denn die Betriebe werden im Moment in einer epischen Breite belastet. Da braucht es Unterstützung und die kann die Kreishandwerkerschaft geben.

Susewind: Ja, wir werden die Innungsbetriebe noch mehr unterstützen müssen, nicht nur als Verwaltung. Bereits heute bieten wir über unser Tochterunternehmen, die Wirtschaftsdienst Handwerk GmbH, zum Beispiel EDV-Schulungen an, unterstützen bei den Themen Arbeitssicherheit und Arbeitsmedizin. Schwerpunkt der nächsten Jahre wird die Digitalisierung sein, bei der wir die Betriebe fachlich unterstützen. Wir sind erster Ansprechpartner in Sachen Ausbildung bis hin zur Abwicklung des Prüfungswesens. Und schließlich betreuen wir unsere Innungsbetriebe auch in Rechtsangelegenheiten.

Haumann: Ein wichtiges Ziel für die Zukunft ist es darüber hinaus, dass wir weiterhin genügend Mitgliedsbetriebe in unseren Reihen behalten und mehr Schulabsolventen für eine Ausbildung im Handwerk gewinnen. Wir müssen alle erreichen und auch auf einer digitalen Ebene miteinander im Gespräch bleiben. Denn der klassische persönliche Austausch in Form von Mitgliederversammlungen geht einfach zurück.

Baranowski: Das ist es ja, was bis heute Innung und Kreishandwerkerschaft auch ausmacht: das Interesse am Netzwerken, an Gemeinschaft, an persönlichem Austausch. Das ist ungebrochen und das wollen und müssen wir erhalten, auch wenn heute meist die Kommunikation über das Handy geht. Wir müssen das Interesse wecken, trotzdem zu uns zu kommen, um sich miteinander auszutauschen. Wir haben das schon in mehreren Ebenen getestet und das Interesse scheint da zu sein. Wir werden uns darum auch mit unseren Töchtern, dem Bildungskreis Handwerk, dem Wirtschaftsdienst Handwerk und der Wirtschafts- und Servicegesellschaft des Handwerks thematisch so aufstellen, dass wir am Puls der Zeit sind. Und wir werden uns überlegen, wie die Kommunikationswege dann am Ende zu den Betrieben und auch für die Betriebe untereinander aussehen.

Marquardt: Wir werden in Zukunft auch ganz neue Wege gehen und haben schon damit begonnen. Ich denke da an unsere Kooperation mit der FernUniversität in Hagen. Wir sind gerade auf dem besten Weg, gemeinsam Projekte von akademischer Welt und Handwerk zu entwickeln. Nicht umsonst nennt sich der Bereich, in dem wir demnächst mit unserer Hagener Geschäftsstelle ansässig sein werden, „Fachkräftecampus“. Ich glaube, in dieser Kooperation steckt noch viel Energie, sodass man auch für die Zukunft gut aufgestellt ist.

Susewind: Und dann haben wir noch ein Großprojekt in den nächsten Jahren vor uns. In Dortmund-Körne plant die Baugewerbe-Innung Dortmund und Lünen für den Bildungsverbund der Handwerkskammer Dortmund im Rahmen der Bildungsoffensive ein modernes Hochbauzentrum mit fünf Lehrwerkstätten auf 4.500 Quadratmetern für die Ausbildungsberufe Maurer, Fliesenleger und Zimmerer unter Zuhilfenahme öffentlicher Fördermittel neu zu errichten. Wir hoffen, dass der Neubau bis Mitte 2027 fertiggestellt werden kann.

Welche Bedeutung hat das Jubiläum für Sie persönlich?

Haumann: Es ist für mich eine Ehre, an einem solchen Tag anwesend sein zu dürfen und die Funktion des Stadthandwerksmeisters ausüben zu dürfen.

Marquardt: 122 Jahre sind seit der Gründung des ersten Innungsausschusses in Hagen vergangen – da kann man schon auf eine sehr gute Entwicklung zurückblicken und es macht mich auch ein Stück weit stolz, ein Teil dieser Entwicklung zu sein.

Sprenger: Ich glaube, wir freuen uns alle sehr auf diesen Tag. Man freut sich auf die Gelegenheit, den vielen Gästen, die wir erwarten, auch noch einmal die Bedeutung des Handwerks und die Bedeutung der Fusion näherzubringen. Ich denke, unsere Vorväter wären auch stolz auf diesen Schritt, den wir dann gemeinsam gegangen sind.

Susewind: Ein Jubiläum ist aus meiner Erfahrung immer auch ein Impuls für das weitere Zusammenarbeiten. Ich würde mir wünschen, dass dieser Impuls pro Handwerk weitergetragen wird an Politik, befreundete Organisationen, unsere Mitarbeiter, an die Innungsbetriebe und ihre Teams und an junge Menschen, um aufzuzeigen, welche interessanten und sicheren Berufsbilder das Handwerk bietet.

Baranowski: 122 Jahre Hagen, 111 Jahre Dortmund und Lünen und ein gemeinsames Jahr Dortmund Hagen und Lünen sind auch ein Grund, einmal Danke zu sagen. Danke vor allem an das Ehrenamt, danke an die Betriebe für ihr Engagement und danke auch an die Beschäftigten in der Verwaltung. Wir freuen uns auf diesen Tag.

Fotos: Kreishandwerkerschaft Dortmund Hagen Lünen, Stefan Müller

v.l. Kreishandwerksmeister Dipl.-Ing. Christian Sprenger, stellvertretender Kreishandwerksmeister und Stadthandwerksmeister von Hagen Bernd Marquardt, Stadthandwerksmeister von Lünen Christoph Haumann
Kreishandwerksmeister Dipl.-Ing. Christian Sprenger
stellvertretender Kreishandwerksmeister und Stadthandwerksmeister von Hagen Bernd Marquardt
Stadthandwerksmeister von Lünen Christoph Haumann

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